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Der Streit um die ewige Ruhe

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Die römisch-katholische Bischofskonferenz in Österreich hat eine jahrzehntelange Praxis legalisiert. Ausgetretene sollen ab sofort auch hochoffiziell ein kirchliches Begräbnis erhalten können. Der Schritt stößt nicht auf ungeteilte Begeisterung. Konfessionsfreie fürchten, dass vermehrt Tote durch Begräbnisse nachträglich wieder zu Katholiken gemacht werden sollen.
Diese Woche wurde bekannt, dass Ex-Katholiken sozusagen einen Rechtsanspruch auf ein kirchliches Begräbnis haben, wenn sie diesen Wunsch zu Lebzeiten geäußert haben. Wünschen sich nur die katholischen Verwandten eine kirchliche Begleitung, darf der Pfarrer ab sofort auch hochoffiziell auf säkularen Begräbnisfeiern auftreten: „Vorgesehen dafür ist eine kirchliche Begräbnisfeier in der Aufbahrungshalle und am Grab, jedoch keine eigene Messfeier. Wenn jedoch jemand klar zu erkennen gegeben hat, „kein kirchliches Begräbnis zu wünschen, oder sich ausdrücklich vom christlichen Glauben losgesagt hat, dann ist das zu respektieren“. In solchen Fällen kann der Priester, Diakon oder Begräbnisleiter die Angehörigen hinter dem Sarg und ohne liturgische Gewänder begleiten, „um mit ihnen zu beten“, schreibt die katholische Agentur Kathpress in einer Meldung.

Sepp Rothwangl,
Sprecher der Plattform Betroffene Kirchlicher Gewalt reagiert emotional. Er erinnert sich an das Begräbnis seiner Mutter vor wenigen Monaten. „Meine Mutter und unsere Familie haben sich bewusst für eine Einäscherung und eine schlichte aber würdige Verabschiedung ohne katholischen Humbug entschieden. Ihre Eindruck schindende Anbiederung am Sarg meiner Mutter hat nur aus Rücksichtnahme auf meine Brüder nicht mit Ihrer Rausweisung durch mich geendet. Auch das Gebimmel ihrer Kirchenglocken vor und nach der Trauerfeier war obsolet, störend und rücksichtslos“, schreibt er in einem Mail an jenen Pfarrer, der die Zeremonie begleitete – und spricht damit ein Problem an, das der Bischofskonferenz offenbar entgangen ist. Was tun, wenn sich Angehörige nicht einigen können?
Rothwangls Familie ist kein Einzelfall: Ein Teil kann besonders katholisch sein, der andere betont konfessionsfrei oder atheistisch. Die Entscheidung um die letzte Ruhe des oder der Verstorbenen würde einen Streit auslösen und möglicherweise zur Machtprobe führen. Mit dem Trost, der gespendet werden soll, wäre es in dem Fall nicht weit her.
Christoph Baumgarten/Humanistischer Pressedienst

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