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Geistliche Erinnerungslücken in Missbrauchsfall

in Medienberichte

derstandard.at, 27.6.2011

Die Missbrauchsanzeige gegen drei ranghohe Geistliche hat erste Konsequenzen: Ein Pater wurde suspendiert.

Der erste Vorfall, bei dem es zu einer sexuellen Berührung durch den Ordensmann gekommen sei, soll sich laut Sachverhaltsdarstellung, die dem Standard vorliegt, 1984 beim Weltjugendtreffen in Rom zugetragen haben. Die Frau war damals 17 Jahre alt und in Begleitung ihrer Schwester.

Zumindest an das Treffen mit den Schwestern kann sich der Franziskanerpater noch heute gut erinnern. Davon zeugt ein Brief, den Pater Wolfgang – konfrontiert mit den Missbrauchsvorwürfen – vor einigen Monaten an die Ombudsstelle der Diözese Innsbruck schrieb. Ja, er habe das Opfer und dessen Schwester bei dem Jugendtreffen in Rom kennengelernt, schreibt der Gottesmann in der dem Standard vorliegenden Rechtfertigung: „Ich habe sie als besonders gläubiges Mädchen erlebt und empfand eine besondere Zuneigung.“ Es sei „wahr“, dass er damals beide Mädchen auf sein Zimmer eingeladen habe: „Es ist mir aber absolut nicht bewusst, dass ich dann die Schwester aus dem Zimmer geschickt habe.“

Das Gedächtnis lässt Pater Wolfgang vor allem in Zusammenhang mit den eigentlichen Übergriffen im Stich: „Wie es zur Berührung der nackten Brust gekommen ist, weiß ich nicht mehr. In Erinnerung ist nur, dass es ein sehr heißer Tag war und C. sehr leicht bekleidet war.“

Zwei weitere Übergriffe soll es noch gegeben haben, einer davon 1997 – als die Frau Aussprache über die Vorfälle suchte.

Späte Reue
In einem Schreiben an die Ombudsstelle, datiert mit 16. Juni 2011, dann die späte Einsicht: „Ich habe mich in meinem ersten Brief wirklich herauszureden versucht, sehe aber durch die Mitteilungen von C. ein, dass ich im Unrecht bin und ihre Darstellung in allen Punkten richtig ist. Es tut mir leid, was ich ihr angetan habe.“

Am vergangenen Wochenende zog die Ordensleitung den beschuldigten Pater aus dem Schulseelsorgedienst ab. Zu einer offiziellen Stellungnahme konnte man sich am Montag vonseiten des Provinzialates der Franziskanerprovinz Austria mit Sitz in Salzburg nicht durchringen.

Prompt reagierte hingegen die Klasnic-Kommission. Die Frau könnte eine Entschädigung bekommen. Sie müsste sich dafür aber dem Clearing-Verfahren – einem zehnstündigen Gespräch – unterziehen. Bisher wurde der Frau eine Therapieunterstützung von 11.000 Euro gewährt.

Vorwürfe zurückgewiesen
Angezeigt wurde von dem mutmaßlichen Opfer auch Leo M., ein hochrangiger Funktionär der Päpstlichen Missionswerke (Missio Austria). M. hat die Vorwürfe „mit aller Entschiedenheit“ zurückgewiesen.

Heikel auch die dritte Anzeige: Kardinal Christoph Schönborn sieht sich mit Vertuschungsvorwürfen konfrontiert. 1994 hatte das mutmaßliche Opfer Schönborn, damals noch Weihbischof, von den angeblichen Übergriffen berichtet. Schönborn-Sprecher Michael Prüller bestätigt den Kontakt, aber es habe sich „um ein Beichtgespräch gehandelt“. Wären dabei schwerwiegende Vorwürfe zur Sprache gekommen, hätte Schönborn weitere Vergehen verhindert und wäre in irgendeiner Form tätig geworden.